Fr 12. Mai 1995 - 20:30 - GEMS
Sylvie Courvoisier Quinteto & Michel Godard
Kommt, spielt und verblüfft: Die Pianistin Sylvie Courvoisier ist wohl die Entdeckung der letzten Jahre. Wir sind froh, dass wir sie für Singen entdeckt haben und Ihnen im Rahmen des Bodenseefestivals auf einer SWF-Jazz-Session live präsentieren zu können. 26jährig überzeugt die Lausannerin durch ungebrochene Spiellust, ungebändigte Energie und musikalische Kompetenz. Dabei gibt sie bescheiden vor, nicht zu erfinden, allenfalls das, was sie bei den Meistern des Pianos interessant genug findet, zu adaptieren und auf ihre eigenen Hände zu übersetzen.
Einen besonderen Ehrenplatz nimmt dabei Thelonious Monk ein, dessen revolutionärer Umgang mit Rhythmus und Harmonie auf Sylvie Courvoisier einen besonderen Einfluss ausübt. Die Affinität zu Monk, dem Magier des Bebop-Pianos, hat sie aber nicht zur Imitation eines wie auch immer gearteten monkschen Gestus verleitet. Zwar setzt sie wie dieser die Akzente mit einer etwas ruppigen Grazie haarscharf neben die harmonisch-rhythmischen Schnittpunkte, die kein Mainstream-Pianist zu verpassen wagt. Und wie Monk lässt sie sich Zeit, die Solisten ihres Quintetto mit neuen Impulsen dorthin zu lenken, wo sie sie haben will.
Doch wer glaubt, bei Sylvie handle es sich eine bessere Epigonin, sieht sich druch ihre erste CD *Sauvagerie Courtoise* zu deutsch: 'liebenswürdige Roheit' oder 'höfliche Wildheit' (Unit Records 4066), arg getäuscht. Bekenntnisse zur Tradition des Pianos kann sich nur leisten, wer eine eigene Sprache gefunden hat. Das ist bei Sylvie zweifellos der Fall: Energische und klar strukturierte Musik, von parodistischen Elementen durchsetzt, Jazz, zweifelsfrei diesseits der Avantgarde, aber in jedem Augenblick neu, neuer als jener.
Nicht zu unterschätzen der Beitrag der vier jungen Musiker aus der Schweiz und Italien, die ihr bei der Umsetzung dieser brodelnden musikalischen Lava helfen: der Saxophonist Guglielmo Pagnozzi, der Bassist Bänz Oester und der Drummer Pascal Portner. Als Special Guest ist Michel Godard mit von der Partie, der seiner Tuba ihre natürliche Schwere nimmt und mit seiner Experimentierlust beim Quintetto auf fruchtbaren Boden stösst.