Fr 24. Sept 2021 - 20:30 - GEMS
Thärichen's Tentett *No Half Measures*
Dieser Musiker gehört zu den immer wieder erstaunlichen Einzelgängern des zeitgenössischen Jazz in und aus Deutschland: schon des Ensembles wegen, das er über mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten zusammengehalten hat und mit dem er bereits im Jahr 2011 in Singen gastierte. Nicolai Thärichen sitzt am Klavier in einem Tentett, komponiert und arrangiert also für neun weitere Talente. Diese Formation, keine Combo und auch keine Big Band, sondern irgendwo dazwischen zu Hause, hat es im Jazz nur ganz selten gegeben; vorzugsweise bei einigen Stil-Stiftern der Nachkriegszeit, die nach neuen Klängen suchten.
Thärichen, Berliner aus musikalischer Familie, ist mittlerweile auch schon im Club der 50er - und *No Half Measures* ist erst die sechste CD (Laika Records) mit dem Tentett, das er und das ihn inspiriert. Was so besonders ist am Tentett, generell und speziell an diesem? Dass mit dieser Band-Konstellation der Weg gleich weit ist zum voluminösen und zugleich differenzierten Sound der Big Band wie zu jener intimen Partnerschaft, wie sie kleine Ensembles pflegen. Mit einem Tentett ist sogar die Begleitung von filigran formulierten Chanson-Texten möglich.
Die neue CD folgt gleich mehrfach dieser Spur: wenn Sänger Micheal Schiefel zu Beginn *Ich hab' Dir heut' ein Grab gekauft* singt und später das Lied *Mama*, die offenbar gerade hinüber driftet in Doktor Alzheimers Nirgendwo. Von dort aus gesehen liegen eine zickig-scharf arrangierte Story wie *Paperback Writer* und *Moon River* eigentlich weitab - aber eben nicht im Sound dieser musikalischen Fussball-Mannschaft.
Feste Grössen der Berliner Szene sind dabei, oft seit Beginn der Tentett-Ära: der Trompeter Sven Klammer, die Saxophonisten Jan von Klewitz / Andreas Spannagel und Nikolas Leistle, der Posaunist Simon Harrer, der Gitarrist Kai Brückner, der Bassist Johannes Gunkel und der Schlagzeuger Kai Schönburg. Thärichens Kompositionen und Arrangements sind exakt diesen Partnern aufs handwerkliche Profil geschrieben. Und Ihnen allen lässt er genau den richtigen Raum für das eigene Ich im Wir.